1 Sachverhalt
Die öffentliche Auftraggeberin hat ein EU-weites Vergabeverfahren zur Errichtung eines Krankenhauses im offenen Verfahren durchgeführt. Der Auftrag wurde in mehrere Lose unterteilt; Zuschlagskriterium für das hier gegenständliche Los „Estricharbeiten“ war einzig der Preis. In der Auftragsbekanntmachung hat die Auftraggeberin im Abschnitt III hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit sowie der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit nur folgende Eintragung vorgenommen: „Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen.“
Die von unserer Kanzlei vertretene Bieterin hat für das gegenständliche Los das preislich günstigste Angebot abgegeben. Mit Informations- und Absageschreiben nach § 134 GWB hat die Auftraggeberin unsere Mandantin aus dem Verfahren ausgeschlossen und den Ausschluss auf Zweifel hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit gestützt. Nach erfolgloser Rüge haben wir ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer Nordbayern eingeleitet. Mit Erfolg.
2 Entscheidungsgründe
Die Vergabekammer hat im Wesentlichen festgestellt, dass der Ausschluss unserer Mandantin nicht auf deren mangelnde wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit gestützt werden durfte, da die Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung ordnungsgemäß aufgeführt werden müssen. Dies setze voraus, dass die Eignungskriterien ausdrücklich und unmittelbar in der Auftragsbekanntmachung mitzuteilen sind. Ein pauschaler Verweis auf die Auftragsunterlagen als Ganzes reicht zur Bekanntmachung der Eignungskriterien nicht aus.
Aufgrund des Hinweises der Vergabekammer hat die Auftraggeberin das Verfahren in den Stand vor Eignungsprüfung zurückversetzt und den Zuschlag an unsere Mandantin erteilt.
3 Fazit
Die Entscheidung verdeutlicht einmal mehr eine deutsche Besonderheit des Vergaberechts. Während es nach der Vergaberichtlinie ausreichend ist, in dem von der EU zur Verfügung gestellten Formular zur Auftragsbekanntmachung das Feld „Eignungskriterien gemäß Auftragsunterlagen“ anzukreuzen, hat der deutsche Gesetzgeber durch die Regelung des § 122 Abs. 4 S. 2 GWB darüberhinausgehende Anforderungen statuiert: Diese Vorschrift verlangt, dass die Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen sind. Unterbleibt diese Aufführung, stellt dies einen schwerwiegenden Vergabeverstoß dar.
Öffentliche Auftraggeber sind daher gut beraten, bei der Planung und Durchführung von Vergabeverfahren anwaltlichen Rat einzuholen und sich nicht auf „blind“ auf das von der EU zur Verfügung gestellte Formular zur Auftragsbekanntmachung zu verlassen.
Bietern, die mangels Eignung aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, kann bei einer derart lückenhaften Auftragsbekanntmachung nur angeraten werden, den Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften zu rügen und nötigenfalls die Vergabekammer anzurufen.
Zum Autor:
Rechtsanwalt Michael Falk, LL.M., ist Experte im Vergaberecht. Er berät deutschlandweit öffentliche Auftraggeber und namhafte Auftragnehmer in allen Belangen des Vergaberechts.
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