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Wann müssen natürliche Personen und juristische Personen des Privatrechts das Vergaberecht beachten?

Es scheint sich in vielen Köpfen die Auffassung etabliert zu haben, dass nur öffentliche Stellen zur Einhaltung der Vorschriften des Vergaberechts verpflichtet sind, Privatpersonen oder juristische Personen des privaten Rechts dagegen dessen Vorgaben nicht zu beachten haben. Dies mag im Grundsatz auch so zutreffen, jedoch steckt der Teufel wie so oft im Detail. Dieser Beitrag möchte aufzeigen, wann auch natürliche Personen oder juristische Personen des Privatrechts vergaberechtliche Vorschriften zu beachten haben.


1. Grundsätze zur Auftraggebereigenschaft


a)

Gemäß § 98 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sind Auftraggeber öffentliche Auftraggeber (§ 99 GWB), Sektorenauftraggeber (§ 100 GWB) und Konzessionsgeber (§ 101 GWB). Während das Sektoren- und das Konzessionsvergaberecht durchaus als „Spezialmaterien“ bezeichnet werden dürfen, sind öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffung von Waren oder Dienstleistungen oder bei der Vergabe von Bauleistungen häufig anzutreffen. Um den Gang der Darstellung auf das Wesentliche zu fokussieren, beschränkt sich dieser Beitrag daher auf die für öffentliche Auftraggeber geltenden Grundsätze bei der Vergabe von Aufträgen oberhalb der sog. Schwellenwerte, also bei Vorhaben, die europaweit auszuschreiben sind.


b)

Öffentliche Auftraggeber haben öffentliche Aufträge im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren zu vergeben und die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu wahren, § 97 Abs.1 GWB. Sie haben dafür Sorge zu tragen, dass die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren gleichbehandelt und mittelständische Interessen vornehmlich berücksichtigt werden.


Mit diesen Pflichten des Auftraggebers korrespondiert der Anspruch der an einem Vergabeverfahren teilnehmenden Unternehmen, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden, § 97 Abs. 6 GWB. Verstößt der Auftraggeber gegen die vergaberechtlichen Vorschriften, steht dem betroffenen Unternehmen ein komplexes System aus Primär- und Sekundäransprüchen zur Seite, mit dem er den Auftraggeber zur Einhaltung des Vergaberechts oder aber zu Schadensersatzzahlungen verpflichten kann.


2. Wer ist öffentlicher Auftraggeber?


a) § 99 Nr. 1 bis 3 GWB


Gemäß § 99 Nr. 1 GWB sind Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen öffentliche Auftraggeber. Zu den Gebietskörperschaften zählen Bund, Länder, Landkreise und Gemeinden. Zu deren Sondervermögen gehören insbesondere rechtlich unselbstständige kommunale Eigenbetriebe oder nicht-rechtsfähige Stiftungen.


Der Vorschrift des § 99 Nr. 2 GWB unterfallen juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, wenn Stellen, die unter § 99 Nr. 1 oder Nr. 3 GWB fallen, sie einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise überwiegend finanzieren oder über ihre Leitung die Aufsicht ausüben oder mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe bestimmt haben. Gleiches gilt, wenn die Stelle, die einzeln oder gemeinsam mit anderen die überwiegende Finanzierung gewährt oder die Mehrheit der Mitglieder eines zur Geschäftsführung oder Aufsicht berufenen Organs bestimmt hat, die genannten Voraussetzungen erfüllt. Hierunter fallen beispielsweise kommunale GmbHs, aber auch die Sozialversicherungsträger oder rechtsfähige Stiftungen des öffentlichen Rechts.


Auftraggeber im Sinne von § 99 Nr. 3 GWB sind rechtsfähige Verbände, deren Mitglieder öffentliche Auftraggeber nach § 99 Nr. 1 oder Nr. 2 GWB sind. Dies sind z.B. Zweckverbände.


b) § 99 Nr. 4 GWB


§ 99 Nr. 4 GWB ordnet natürliche oder juristische Personen für die Ausführung bestimmter Vorhaben als öffentliche Auftraggeber ein. Da die Anknüpfung auftragsbezogen erfolgt, handelt es sich der Sache nach um die Anordnung der Anwendung des Vergaberechts auf die näher beschriebenen Vorhaben.


Folgende Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, damit auch natürliche und juristische Personen des Privatrechts die Vorgaben des Vergaberechts zu beachten haben:


aa)

Die natürliche oder juristische Person des Privatrechts muss Auftraggeber sein, also Waren, Dienst- oder Bauleistungen beschaffen.

bb)

Es müssen entweder Tiefbaumaßnahmen durchgeführt oder Krankenhäuser, Sport-, Erholungs- und Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäude errichtet werden oder Dienstleistungen und Wettbewerbe damit in Verbindung stehen. Diese Aufzählung ist abschließend, der Kreis der Vorhaben, die unter § 99 Nr. 4 GWB fallen, kann also nicht erweitert werden. Jedoch ist zu beachten, dass für die obigen Begrifflichkeiten eine am Wortlaut haftende Auslegung ausscheidet, sondern es auf den Zweck der jeweiligen Fallgruppe ankommt.


An einem Beispiel verdeutlicht, bedeutet dies: Nach dem Wortlaut der Vorschrift sind ausdrücklich nur die Errichtung von Schul- und Hochschulgebäuden erfasst. Einigkeit besteht jedoch darin, dass diese Begriffe auch die Errichtung von Kindergärten oder Volkshochschulen einschließen, weil es auf die Struktur des nationalen Bildungssystems nicht ankommt, sondern darauf, was dem Bildungsbereich zugeordnet wird.


cc)

Für die vorgenannten Projekte müssen von Stellen, die unter § 99 Nr. 1 bis 3 GWB fallen, Mittel in Höhe von mehr als 50 Prozent der Vorhabenkosten gegeben werden.


Das Vergaberecht ist also immer dann anzuwenden, wenn vorhabenbezogene Subventionen mehr als die Hälfte der Gesamtkosten des konkreten Vorhabens ausmachen. Eine derart hohe Förderung kann bei Projekten, die im Allgemeininteresse liegen schnell erreicht sein, bspw. dann, wenn bei der Errichtung einer Kindertagesstätte neben der diese tragende Gemeinde auch der Landkreis und/oder das Land entsprechende Zuwendungsbescheide erlassen. Regelmäßig sehen die den entsprechenden Zuwendungsbescheiden beigefügten Nebenbestimmungen ausdrücklich vor, dass vergaberechtliche Vorschriften einzuhalten sind und dass bei Verstoß gegen diese Bestimmungen die Rückforderung der Zuwendung droht.


3. Kein öffentlicher Auftraggeber – und dennoch Vergaberecht beachten?


Es kann auch zu Konstellationen kommen, in denen natürliche Personen oder juristische Personen des Privatrechts zur Anwendung des Vergaberechts verpflichtet sind, ohne dass sie zu öffentlichen Auftraggebern werden. Denkbar ist dies bspw. in dem Fall, dass eine juristische Person des Privatrechts Zuwendungen von einem öffentlichen Zuwendungsgeber (EU, Bund, Land etc.) für ein Vorhaben erhält, die Förderung aber weniger als 50 Prozent der Vorhabenkosten beträgt. Hier werden dem Zuwendungsbescheid regelmäßig Nebenbestimmungen beigefügt sein, die zur Anwendung des Vergaberechts zwingen.


Zu denken ist u.a. an die „Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung (ANBest-P)“. Für das Saarland sind sie als Anlage 2 zu § 44 der Landeshaushaltsordnung (LHO) ergangen und derzeit auf dem Stand von Juli 2022. Entsprechende haushaltsrechtliche Richtlinien existieren auch für den Bund sowie die weiteren Bundesländer. In den ANBest selbst regelt jeweils Ziff. 3, wie die Vergabe von Aufträgen zu erfolgen hat; weitere Einzelheiten können Sie der hier abrufbaren aktuellen Fassung der ANBest-P des Saarlandes (die entsprechenden Nebenbestimmungen der anderen Länder und des Bundes lassen sich im Internet jeweils im Zusammenhang mit den Verwaltungsvorschriften zu den Haushaltsordnungen finden unter https://www.saarland.de/SharedDocs/Downloads/DE/msgff/downloads_a/anbest_p.html) entnehmen. Aus Ziff. 3.5 ergibt sich jedoch eindeutig, dass ein Verstoß gegen die Vergabebestimmungen nach Nr. 3.1 bis 3.4 einen Auflagenverstoß dar, der zur Rückforderung der Zuwendung führen kann.


Das Wörtchen „kann“ macht deutlich, dass dem Zuwendungsgeber ein Ermessen eingeräumt wird, ob und in welcher Höhe er die gewährte Zuwendung bei Verstößen gegen das Vergaberecht zurückfordern möchte. Das bedeutet jedoch weder, dass der Zuwendungsgeber großzügig über Vergaberechtsverstöße hinwegsehen darf, ohne Zuwendungen zurückzufordern, noch, dass die vollständige Rückforderung des Zuschusses bei einem Vergaberechtsverstoß gleichsam einen Automatismus darstellen würde. Stattdessen muss der Zuwendungsgeber die Umstände des Einzelfalls berücksichtigen und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes über die Höhe der Rückforderung entscheiden.


Der jeweilige Zuwendungsempfänger ist also gut beraten, wenn er vom Inhalt sowohl des Zuwendungsbescheids als auch der beigefügten Nebenbestimmungen Kenntnis nimmt und frühzeitigen Rechtsrat hinsichtlich der vergaberechtlich einzuhaltenden Bestimmungen einholt.


4. Ergebnis


Der vorliegende Beitrag zeigt auf, dass auch natürliche Personen oder juristische Personen des Privatrechts unter bestimmten Voraussetzungen zur Einhaltung des Vergaberechts verpflichtet sind. Wollen sie eines der oben genannten Vorhaben mit öffentlichen Mitteln in entsprechender Höhe realisieren, empfiehlt es sich dringend, frühzeitigen vergaberechtlichen Rat einzuholen.


Denn das Risiko, der Rückforderung von Zuwendungen ausgesetzt zu sein, ist aufgrund der Komplexität des Vergaberechts erheblich. Oftmals bedeutet die Rückforderung der Zuwendung, dass das Vorhaben nicht oder nicht wie geplant umgesetzt werden kann. Letztlich können die finanziellen Folgen existenzbedrohend sein. Durch eine gute Beratung lassen sich diese Folgen jedoch frühzeitig minimieren.


Zu den Autoren:


Rechtsanwalt Thomas Bernd, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie für Vergabrecht, und Rechtsanwalt Michael Falk, LL.M., sind Experten im Vergaberecht. Sie beraten deutschlandweit öffentliche Auftraggeber und namhafte Auftragnehmer in allen Belangen des Vergaberechts.


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